Hallo lieber Leser,
wenn du hier gelandet bist, stimmt irgendwas nicht, denn ich habe seit über fünf Jahren nichts mehr geschrieben ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du einigermaßen technikaffin bist und über die Probleme der heutigen Onlinekommunikation schon mehr lesen musstest, als dir lieb ist. Da mir aber leider zunehmend auffällt, dass auch die eher technikaffinen Menschen ob dieser Probleme resigniert aufgeben, möchte auch ich noch einmal meine zwei Eurocents loswerden.
tl;dr: WhatsApp ist doof, verkauft deine Daten und die deiner Freunde. Bitte benutze doch konsequenter sichere und datenschutzkonforme Messenger, z.B. diese, die auf SECURE MESSAGING APPS COMPARISON in der ersten Zeile grün markiert sind. Die sind genau so komfortabel wie WhatsApp.
Versuche, Andere für die Problematik zu sensibilisieren.
“Alter, ist das viel Text, woher soll ich die Zeit nehmen, das alles zu lesen?”
Überraschung: das Schreiben dauert noch länger und das Thema war mir wichtig genug, mir die Zeit zu nehmen.
Eigentlich würde ich den Text gerne noch besser ausformulieren und alle Angaben mit Quellen belegen – aber dann veröffentliche ich ihn nie, also erstmal so:
Früher war mehr einfach
Eines der wenigen Protokolle aus der Anfangszeit des Internets, die heute immer noch weit verbreitete Verwendung finden, ist SMTP. Es wird benutzt um E-Mails zu versenden. Trotz des sehr einfachen Designs und vieler daraus resultierender Probleme, hat es einen Vorteil, der ihm bis heute das Überleben sichert: Dezentralität. Jede Organisation kann mit überschaubarem Aufwand einen Mailserver betreiben, ohne sich auf ewig an einen Anbieter zu binden. Die E-Mail hätte sich niemals durchgesetzt, wenn man als Kunde von yahoo nur anderen yahoo-Kunden hätte schreiben können. Doch mit meiner E-Mail-Adresse bin ich für alle anderen E-Mail-Nutzer auf der Welt eindeutig identifizier- und erreichbar.
Analog dazu verhält es sich bei der Telefonie. Eine Telefonnummer macht mich für alle Menschen, die sich in der Nähe eines beliebigen Telefons befinden, erreichbar. Könnten Telekom-Kunden nur mit anderen Telekom-Kunden telefonieren, würde ich wohl noch weniger Telefonate führen als ohnehin schon.
Gleiche Erwartungshaltung bei Smartphones
Mit dem Aufkommen der Smartphones kam die Erwartungshaltung auf, auch unterwegs schnell und unkompliziert Textnachrichten mit anderen Menschen auszutauschen. Das eigene E-Mail-Konto auf dem Smartphone zu hinterlegen, war vielen zu umständlich, E-Mail außerdem zu langsam und unflexibel. Die E-Mail-Adressen der Kontakte haben die Wenigsten im Telefonbuch – die Telefonnummer hingegen schon. Doch SMS und MMS waren hierzulande lange Zeit sehr teuer, so dass es für WhatsApp ein Leichtes war, Nutzer zu finden.
Das Angebot war attraktiv: keine Werbung, ein Jahr kostenfreie Nutzung, die Kontaktliste füllte sich automatisch. Schnell wurde WhatsApp zum defacto-Standard für Textkommunikation auf dem Smartphone.
Dass man sich damit von einem zentralen Anbieter und dessen Walled Garden abhängig macht, war vielen zunächst nicht bewusst und fast allen egal. Genau wie die Tatsache, dass WhatsApp sämtliche relevanten Daten (Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen) im Adressbuch im Klartext vom Telefon extrahiert.
Zwischen damals und heute ist Einiges passiert:
WhatsApp wurde durch Facebook gekauft.
WhatsApp ist dauerhaft kostenfrei und Dank des Verkaufs von Benutzerdaten profitabel.
Die WhatsApp-Gründer haben das Unternehmen mittlerweile verlassen (und damit auf Bonuszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe verzichtet), da sie mit der neuen Ausrichtung nicht einverstanden waren.
WhatsApp tauscht Kontaktdaten mit Facebook aus.
WhatsApp plant, Werbung anzuzeigen.
Die DSGVO ist in Kraft getreten, die Nutzung von WhatsApp auf geschäftlich genutzten Telefonen verstößt gegen europäische Datenschutzgesetze.
Und dennoch sind immer wieder Menschen verwundert, wenn sie feststellen, dass ich kein WhatsApp benutze. Häufig genug nutzen diese Menschen iPhones. Sie ziehen Apples Telefone den Android-Telefonen von Google vor, da Google Ihnen zu viele Daten sammelt. Warum wird WhatsApp nicht ähnlich kritisch betrachtet? Weil es nicht die eigenen Daten sind, sondern “nur” die Daten der Freunde und Bekannten?
Sie erwarten nicht, dass ich den gleichen E-Mail-Provider oder Telefonanbieter wie sie benutze, damit sie mich erreichen können – aber sie erwarten, dass ich den gleichen Messenger verwende. Warum?
Es gibt Alternativen – aber du nutzt sie nur unter Zwang
Klar, du weißt es. Und ich weiß es. Da draußen gibt es Messenger, die genau so komfortabel sind wie WhatsApp – und trotzdem datenschutzkonform und sicherer arbeiten. Sie finanzieren sich über den einmaligen Kauf der App, kostenpflichtige gewerbliche Nutzung oder Spenden.
Die Chance, dass auch du mindestens einen dieser Messenger installiert hast, ist hoch. Du benutzt sie für bestimmte Kontakte. Menschen wie mich.
Neue Kontakte im Adressbuch – die erreichst du am wahrscheinlichsten über WhatsApp. Es gibt eine Party oder einen Umzug zu planen? Bei WhatsApp sind (fast) alle zu erreichen!
Hast du beim Erstellen der letzten WhatsApp-Gruppe darüber nachgedacht, ob nicht vielleicht die Teilnehmer auch alle bei Threema zu finden sind?
Versteh’ mich nicht falsch – ich freue mich, dass ich dich über Threema, Wire oder Signal erreichen kann und nicht auf SMS zurückfallen muss, denn das ist auf Telefonen immer noch der sicherste Weg, Kontakte zu erreichen – dank der dezentralen Funktionalität des Telefonnetzes.
Aber – und das ist der springende Punkt – du bist eben für alle Anderen per WhatsApp erreichbar und sorgst damit dafür, dass es der defacto-Standard bleibt, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit der Weg des geringsten Widerstands ist. Dein Bekannten- und Verwandtenkreis, denen vielleicht nicht bewusst ist, wie problematisch die WhatsApp-Nutzung eigentlich ist, müssen gar nicht darüber nachdenken, ob es andere Wege gibt, dich zu erreichen. Also werden sie es auch nicht tun.
Es gibt Alternativen – aber dort erreicht man nicht alle
Stimmt. Die Dominanz von WhatsApp, die genau zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Angebot zur Stelle waren, wird keine der Alternativen jemals erreichen. Ich hoffe aber, dass wir es noch schaffen können, die allgemeine Erwartungshaltung, über WhatsApp im Zweifelsfall jeden erreichen zu können, zu durchbrechen. Es spricht nichts dagegen, mehrere Messenger auf dem Smartphone zu verwenden. Weder leidet dadurch die Akkulaufzeit noch wäre für die sehr kleinen Apps zu wenig Speicherplatz da. Vielen Menschen fehlt nur ein kleiner Stups, um sich überhaupt mal mit einer Alternative zu beschäftigen.
Stups’ doch auch mal wen an.
Es gibt Alternativen – auch alles Walled Gardens?
Stimmt, die Alternativen sind nicht perfekt und nichts würde mich mehr ärgern, als wenn Threema, Wire oder Signal das gleiche passieren würde wie WhatsApp. Die Chancen dafür sind allerdings gering – und wer einmal von der Erwartungshaltung abgekommen ist, dass ohnehin jeder per WhatsApp erreichbar ist, lässt sich erfahrungsgemäß auch auf eine weitere Alternative ein.
Es gibt Alternativen – und die sind auch dezentral
Ja, die gibt es. XMPP/Jabber hat seine Chance meiner Meinung nach allerdings vertan. End-to-End-Encryption war lange Zeit bestenfalls rudimentär implementiert, die parallele Benutzung mehrerer Geräte war zu lange problematisch und die meisten Clients sehen auch heute noch wie Software aus den 90ern aus.
Aktuell setze ich meine Hoffnung auf matrix, die es bereits jetzt schaffen, eine Vielzahl anderer Dienste über Bridges anzubinden und den dezentralen Ansatz mit einem Fokus auf Privatsphäre und Sicherheit der Kommunikation zu vereinen. Ja, das Ganze befindet sich noch in einem recht frühen Stadium – funktioniert aber offenbar gut genug, um vom französischen Staat zukünftig als Kommunikationsmittel zwischen Verwaltungen eingesetzt zu werden.
1 thought on “Elektronische Kommunikation im Wandel der Zeit”
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